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Und in der Uckermark Songtext
von Reinhard Mey

Und in der Uckermark Songtext

Warum in aller Welt nur habe ich - verflucht
Warum zur Hölle hab ich diesen Urlaub gebucht
Jetzt mal ehrlich, Freunde, ich hab sie doch nicht alle
Mitten in der Hochsaison für 14 Tage nach Malle
Jetzt ist es zu spät für′s Storno, das heißt, ich muss früh aufsteh'n
Blumen gießen, Müll raus tragen, Wasserhahn zudreh′n
Mir die Zunge noch mit Kaffee verbrühen beim Frühstück runterschlingen
Den Hausschlüssel noch zum Nachbarn und die Koffer runter bringen
Ich bin schweißgebadet, der Lendenwirbel knackt
Dabei hab ich diesmal nur das Allerwichtigste gepackt
Trachtenjacke, Luftmatratze, Duden, Durchfalltabletten
Deutschen Kaffee, Pumpernickel und die Tofu-Buletten
Gähned stehe ich auf dem Bürgersteig im ersten Dämmerlicht
Und warte, dass das Taxi kommt
Und das Taxi kommt nicht
Und in der Uckermark wacht jetzt Templin gerade auf
Und das Korn wogt im Wind im Boitzenburger Land
An der Landstraße friert der Kirschenverkauf
Und ich warte gespannt, ein Depp am Straßenrand
Einen Koffer in jeder Hand - selber Schuld


Einen Koffer in jeder Hand
Taxi kommt leider doch, am Rückspiegel baumelt ein grüner Baum
Und es verheißt Puma-Käfig-Geruch im Fahrgastraum
Die Musik und das Gelaber, dieser Taxler macht mich alle
Und entlässt micht ins Spalier der aschfahlen Raucher vor der Abflughalle
Schnell durch den blauen Todesatem der Gelbfinger geh'n
Und mit verirrten Seelen in der Warteschlange steh'n
Wo Senioren vor mir in Erwartungsstarre verharren
Und mir von hinten in die Haxen fahren mit ihren Kofferkarren
Schließlich einsteigen, im Gang kaum stehen die Kinder, schreien
Das viele Handgepäck verstauen in den viel zu engen Reihen
Eingepfercht im Mittelsitz zwischen Mallorca-Kennern
Cremefarbenen Rentnern und Ballermännern
Auf dem Weg zu einem dieser sogenannten Traumhotels
Da frisst du dir fünf Kilo an und versengst dir den Pelz
Und in der Uckermark schmeckt es nach Bärlauch und Dill
Und der Waldmeister duftet im Gerswalder Wald
Vor der Laube qualmt traulich die Wurst auf dem Grill
Und ich sitze festgeschnallt und der Bordsnack ist kalt
Furztrocken und irgendwie alt - aus der Insolvenzmasse von AirBerlin
Furztrocken und irgendwie alt
Das Hotel sieht auch ganz anders aus als im Prospekt
Das Appartement ist ein Wohnklo und die Spülung ist defekt
Rechts neben mir ein Junggesellenabschied auf dem Zimmer
Okay, Junggesellinnenabschied wär noch n kleinen Tick schlimmer
Die Wände sind aber auch wirklich dünn wie aus Papier
Ein Paar gerät in Liebesrausch im Zimmer links von mir
Egal ein Stöppsel ins Ohr, ich brauch den Schalf
Ich will micht nicht aufregen
Ich muss um fünf Uhr raus, mein Handtuch auf die Liege legen
Weil ich wie jeder Deutsche weiß, dass um sechs Uhr prompt
Der erste Engländer mit seinem Handtuch kommt
Vor′m Balkon steht vor dem Meerblick eine Bauruine
Die benutzen die Nachtschwärmer auch gerne als Latrine
Und die guten gelaunten Kölner singen beim Pinkeln, es sei
Am Rhein so schön dat ist prima, ja da simmer dabei
Und in der Uckermark singt leis′ die Amsel im Nest
Und durchs Dorf plätschert kühl der kristallklare Bach
Auf dem Tisch leigt die Einladung zu Sauer's Gartenfest
Und ich liege wach in diesem Ungemach
Der Hitze, dem Mief und dem Krach - Buenos Noches amigos
Der Hitze und in diesem Krach
Am Buffet da zwischen Radlerhosen Schlange stehen
Beine in Leggins, die wie pralle Presswürste aussehen
Netzhemden, Bikinis, Kinder mit dicken Backen,
Die den Boden vollkleckern und sich Berge von Essen auf die Teller packen
Liege an Liege dann am Pool wie auf dem Friedhof aufgebaut
Eingefettet und öltriefend von der Sonne gegart
Männer die beim Umziehen sich schamhaft vornüber neigen
Und Etwas stacheliges wie baumelnde Kastanien zeigen
Wichtigtuer, die lauthals telefonieren
Muckibuden-Schönlinge, die Yoga simulieren
Vom Poolrand springen und wie Walrösser schnaufen
Teenies, die mit langen Strohhalmen aus Eimern saufen
Klebrig-rotes Zeug bis zum Verlust des Gleichgewichts
Mancher verträgt′s, Mancher erbricht's
Aber ohne meinen Knalltours sage ich nichts
Und in der Uckermark rankt wilder Wein am Spalier
Und mein Nachbar schraubt zärtlich an seinem Trabant
Im Eimer kült prickelnd das Märkische Bier
Und ich am penetrant versifften Beckenrand
Kühle meinen Sonnenbrand
Kühle meinen Sonnenbrand
14 Tage sind geschafft, endlich mein Rückflugtermin grüßt
Endlich heimwärts, endlich hab ich meinen Urlaub abgebüßt
In der Abflughalle drängeln sich gebräunte Menschenmassen
Die beim Einsteigen ins Flugzeug sich mal so richtig Zeit lassen
Der angetrunkene Schwätzer sitzt wie immer neben mir
Applaudiert bei der Landung "Berlin, hier kommen wir"
Auf der Flugzeugtreppe schlägt mir peitschender Regen
Und am Gepäckband die Berliner Freundlichkeit entgegen
"Jetzt mach schon, Opa, komm, beweg deinen Arsch"
Mein Koffer kommt als Letzter, auf dem Zickzack-Marsch
Durch die Abholer und den sich Küssenden zu den Taxen
Rammt mir ein Rentner schnell noch seinen Koffer in die Haxen
"Hallo Taxi" - Am Rückspiegel baumelt ein grüner Duftbaum
Der Sensenmann fährt höchstpersönlich und es riecht wie in der Gruft - Berliner Luft
Und auf Mallorca blüht jetzt duftend die Bougainvillea
Carmencita bringt Tänzern den Apéritif
Der Rumäne spielt Flamenco vor′m Hafen-Café
Und so ganz instinktiv buche ich definitv
Gleich heut zum Frühbuchertarif - ein reines Schnäppchen
Gleich heut zum Frühbuchertarif

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